Ein Hoch auf Helvetismen

Sprache hat viel mit Kultur und Identität zu tun. Möchten Sie Lesende aus der Schweiz erreichen, sollte Ihnen Schweizer Hochdeutsch – und damit natürlich auch Helvetismen – nicht fremd sein. Doch worum handelt es sich dabei genau?

Letzte Woche trafen wir Freunde zum Apéro um die Ecke. Ich wollte unbedingt den Match zu Ende schauen – ein Corner verlängerte das Spiel um einige Minuten – und war deshalb zu spät dran. Glücklicherweise hielt der Goalie den Schuss und wir machten uns schnurstracks auf den Weg zur vereinbarten Beiz. Unterwegs riefen wir die bereits wartenden Freunde auf dem Natel an, um uns zu entschuldigen und schon mal unsere Bestellung, je ein Panaché, aufzugeben. Auf dem Weg wurden wir auf dem Trottoir schier von einem Trottinett umgefahren, haben meinen Götti aus dem Coiffeurladen kommen sehen und übergaben noch kurz das Abstimmungscouvert (A-Post!) dem Pöstler. Mit knappen drei Minuten Verspätung parkierten wir unsere Velos um die Ecke, ich strich meinen Jupe gerade und erblickte unsere Freunde, die uns bereits vom weitem «Proscht!» zuriefen und einen Schluck von (unseren) Panachés nahmen. 

Wie viele Helvetismen zählen Sie in diesem Text? Zugegeben, wir haben es etwas auf die Spitze getrieben. Diese sprachlichen Besonderheiten treffen Sie in einem Text aus Schweizer Feder für Schweizer Lesende mit Sicherheit oft an. Texten wir hingegen für den deutschen Markt, werden wiederum andere Wörter verwendet. Logisch. Oder?

Hochdeutsch ist Schweizer Hochdeutsch ist Schweizerdeutsch ist Dialekt

Oder eben nicht. Eine kurze Einordnung:

Standarddeutsch oder umgangssprachlich Hochdeutsch, ist das Ergebnis der Normung der deutschen Sprache. In der Linguistik wird eine solche Standardsprache in einem System von Elementen, Sub- und Nebenelementen dargestellt, zugeordnet zu verschiedenen Ebenen.

Beim Schweizer Hochdeutsch handelt es sich um eine Standardvarietät der deutschen Sprache. Im Gegensatz zum Schweizerdeutschen gibt es hier eine einheitliche Verschriftlichung mit einem offiziellen Regelwerk. Dadurch kann klar definiert werden, was richtig und was falsch geschrieben ist. Das offizielle Nachschlagewerk ist der Schweizerhochdeutsche Duden.

Schweizerdeutsch hingegen ist keine eigene Sprachvarietät, sondern der Überbegriff für sämtliche Dialekte der deutschsprachigen Schweiz. Diese werden fast nur mündlich verwendet und haben keine offizielle Schriftform.

Mundart wird meist der Bezeichnung Dialekt gleichgestellt und weist regionale Sprachunterschiede auf. So gibt es zum Beispiel Bärndütsch, Baseldytsch oder Züritüütsch. Wenn man es ganz genau nimmt, ist Mundart jedoch noch einmal eine Untergruppierung des Dialekts. Innerhalb eines Kantons können sich diverse Arten von Mundart in der Aussprache unterscheiden.

Mit einer Liste von Helvetismen oder Regeln des Schweizerdeutschen verschonen wir Sie an dieser Stelle. Diese finden Sie beispielsweise auf Wikipedia oder im Schweizerischen Idiotikon. Möchten Sie sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen, empfehlen wir Ihnen das Buch «Schweizerdeutsch» von Emanuel Ruoss und Juliane Schröter. 

Helvetismen als Brückenbauer

Sprache hat viel mit Kultur und Identität zu tun. Möchten Sie Lesende aus der Schweiz erreichen, verzichten Sie bitte nicht auf Helvetismen. Denn mit diesen erreichen Sie Schweizer Lesende auf einer anderen Ebene als mit einer Textversion auf Hochdeutsch. Denken Sie daran, dass Sprache Wörter nutzen soll, die in unserem Wortschatz verankert sind und unter denen wir uns etwas vorstellen können.

Ein Fun Fact zum Schluss: Auch dem Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) lagen Helvetismen am Herzen. Er setzte sie sowohl in seinen literarischen Werken als auch in seinen Karikaturen ein. Als ihn ein Gast während einer Rede bat, Hochdeutsch zu sprechen, lautete seine Antwort «Ich kann nicht höher!».